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Presse Horhausen 2016 Text

Sie wollen nicht nur spielen

MITTELALTER Das Ehepaar Klostermann spürt dem Alltagsleben um 1300 nach - Im Zentrum steht der wissenschaftliche Beleg

Von unserer Redakteurin Susanne Schneider

HORHAUSEN. Begonnen hat alles mit der Recherche für ein Buch - das Werk selbst ist zwar nie erschienen, die Faszination für das Mittelalter ist Gabriele Klostermann aber erhalten geblieben. Und nicht nur das: Während besagter Recherche lernte sie ihren jetzigen Ehemann Philipp kennen, mit dem sie das Interesse an der Zeit um 1300 teilt.

Wer jetzt aber denkt, die beiden laufen als Burgfräulein und Ritter verkleidet über Mittelaltermärkte, der irrt sich. Vielmehr wollen Gabriele und Philipp Klostermann auf wissenschaftlicher Basis sozusagen Fenster in die Vergangenheit öffnen, um einen Blick auf das damalige Zivilleben zu ermöglichen. "Uns bewegt die Frage, wie ganz normale Leute im Mittelalter gelebt haben. Was haben die Menschen damals getrunken, was gegessen? Was haben sie angezogen?", erklärt die 47-jährige.

Die Antworten darauf finden die Klostermanns in Fachpublikationen, durch archäologische Funde oder zeitgenössische Bilder. Auch wenn das Quellenstudium manchmal langwierig sein kann, langweilig wird es Gabriele Klostermann nicht. "Ich beschäftige mich jetzt seit rund 20 Jahren mit der Mode des 13. Jahrhunderts und entdecke immer wieder etwas Neues", erzählt sie begeistert. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse fertigen Gabriele und Philipp Klostermann etwas Kleidung, Knöpfe oder Schuhe an. Es geht ihnen nämlich nicht nur darum, sagen zu können "So war das damals", sondern auch "So wurde das damals gemacht".

Soweit möglich, orientieren sie sich an den Techniken der damaligen Zeit - das bedeutet viel Handarbeit. Auf diese Weise sorgt das Ehepaar dafür, dass alte Handwerkstechniken nicht verloren gehen und lebendig bleiben. "Wir färben die Stoffe nicht mit modernen Farben, sondern benutzen Färbemittel, die es auch im Mittelalter gab, wie z.B. Krapp oder Waid". erzählt Gabriele Klostermann, wobei sie in einem noch ein Missverständnis aus der Welt schafft. Entgegen der Darstellung in vielen Spielfilmen war die Mode im Mittelalter nicht grau und braun, sondern bunt. "Farbe war ein Statussymbol und deshalb sehr beliebt", weiß Gabriele Klostermann.
Selbst Halbschuhe, wie sie zu dieser Zeit üblich waren, näht Philipp Klostermann selbst. "Die Schuhe bestanden aus dem Oberleder und einer Sohle, wurden auf Links zusammengenäht und anschließend umgekrempelt. Daher stammt übrigens das Sprichwort Umgekehrt wird ein Schuh draus", erklärt der 46-jährige, der sich auf Metall- und Lederverarbeitung spezialisiert hat.

Durch die Beschäftigung mit dieser Epoche hat das Ehepaar gelernt, ganz alltägliche oder heutzutage selbstverständliche Dinge wieder mehr zu schätzen. "Wenn man sich bewusst macht, wie viel Arbeit damals in die Herstellung eines Kleidungsstücks gesteckt werden musste, ist man für die heutigen Annehmlichkeiten dankbar", sagt Gabriele Klostermann.

Bei aller Faszination für das Mittelalter verschließen die beiden aber nicht die Augen vor den weniger schönen Seiten. "Wir finden das Mittelalter interessant, zu dieser Zeit leben wollten wir aber nicht", sind sich die beiden einig.

Am Herzen liegt ihnen, sich nicht nur im stillen Kämmerchen mit dem Mittelalter zu beschäftigen, sondern das Leben um 1300 einem Publikum näherzubringen. "Das ist es, was uns Spaß macht", bestätigt Philipp Klostermann.

Umso mehr freuen sie sich auf die 800-Jahr-Feier in Horhausen im kommenden Jahr. Die Ideen dafür sprudeln schon: Zusammen mit Freunden wollen sie Szenen aus dem Alltagsleben vorführen. "Ein Schwerpunkt wird auf dem einfachen Handwerk liegen", so Gabriele Klostermann. Eine Modenschau soll den Besuchern den Unterschied zwischen der Kleidung von Mann und Frau, arm und reich verdeutlichen. Wo es sich anbietet, sollen die Besucher eingebunden werden. Mit einem typischen Mittelaltermarkt wird das Ganze allerdings wenig zu tun haben. "Auf solchen Veranstaltungen geht es anders als bei uns um das Exotischem also eher um die Ausnahme als die Regel", meint Gabriele Klostermann. Zudem wahren sie immer die Distanz zur Person, die sie verkörpern. "Wir spielen keine Rolle, sondern wir stellen etwas dar", erklärt Gabriele Klostermann.

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